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Ich bin ein Kind der Nachkriegsgeneration. Meine Eltern sind Ende des zweiten Weltkrieges in Deutschland geboren. Ich bin ihr Kind. Ein Kind der Unsicherheiten, Ängste, unerfüllten Wünsche, des Wunsches nach Wohlstand, Sicherheit, Frieden, eine behütete Kindheit bieten zu können.

Ein gutbürgerliches, akademisches Psychologin-Psychiater-Elternhaus. Die Kinder sollen auf das Gymnasium gehen, gute Noten schreiben und später studieren.
Die Kinder würden nie unfreiwillig von ihren Eltern getrennt sein müssen, würden alle Möglichkeiten haben, alle Türen sollten ihnen offen stehen.
Struktur, geregelte Abläufe, Beständigkeit, Wiederholungen, alles sehr wichtig.
Man fuhr in allen Ferien in das Ferienhaus in Ligurien. Immer an den gleichen Ort. Die Katze kam mit.

Ich weiß, dass ein anderes Leben möglich ist. Ich habs kennengelernt, erlebt, gesehen, erfahren. Aber die Schleier, die Trugbilder, die Verwirrungen sind sehr wirkmächtig. Es ist nicht leicht, sich von ihnen frei zu machen. Dabei ist es nur ein Innehalten und dann wird alles leichter. Viel einfacher.

Ich könnte Achselhaarfrisuren erfinden.
Ich muss gar nix. Ich will nur das tun was ich will.

Aber das wurde mir so nicht unbedingt in all seiner
Tragweite beigebracht. Als Kind lernt es sich am
leichtesten. Oft muss ich mir noch selber sagen, dass
es OK ist, wenn ich Sachen mache, die nicht im Rahmen
irgendeiner institutionalisierten Ausbildung oder irgendeines Auftrages oder Jobs laufen, sondern einfach nur weil ich Lust darauf habe, mich dafür interessiere. Oder wenn ich einfach gar nichts mache.

Oft sind es Sachen, mit denen ich mich mit mir selbst, meinen Beziehungen und meinem Umfeld auseinandersetze und versuche eine gesellschaftskritische, herrschaftskritische Perspektive miteinzubeziehen. Ich mach das für nix, außer für mich selbst und meine Mitmenschen und in der Hoffnung damit andere Menschen auch aufzuklären, zu berühren, zu inspirieren.

Was ich mache, ist schwer verwertbar.
Es ist unprofessionell, nicht perfekt, nicht fertig.

Ich möchte mich nicht am Perfektionismus aufhängen sondern Sachen machen, Geschichten erzählen, Dinge bearbeiten, mich damit beschäftigen und aber irgendwann auch zu einem Ende kommen ohne in Selbstkritik stecken zu bleiben. Es ist wie es ist und Teil meiner Entwicklung.

Spannend ist eher, wo es hinführt, als ob es makellos ist. Ich will mein Schaffen, meine Kunst nicht für mich behalten, sondern zeigen und Reaktionen beobachten.
Hier bin ich also. Weißes Mittelschicht-Kind, behütet aufgewachsen, ländlich, toll, bayrisches Voralpenidyll. Aber wandern waren wir nie. Ich schweife ab. Hier ah ja, akademischer Haushalt, 1 Bruder, 1 Katze (tot). Keine Geldprobleme. Alles war möglich. Und mein Bruder und ich leiden beide unter den schier endlosen Möglichkeiten und haben eine ausgeprägte Schwierigkeit Entscheidungen zu treffen entwickelt. Sein Ansatz ist einfach möglichst wenig zu verändern, alles soll immer möglichst so bleiben wie es ist. Mein Ansatz ist, nachdem ich eine Weile meinte alles mögliche ausprobieren zu müssen und alles können und machen zu müssen nur weils möglich ist, mittlerweile einfach gar nichts zu machen. Einfach abzuwarten, mich im Müßiggang zu üben. Denn ich hab rausgefunden, dass ich gar nichts weiss. Ich weiß nicht was ich will. Ich weiß vieles, dass ich nicht will und vieles dass ich will, aber irgendwie gibt es einfach nicht so das eine Ding das ich will.

Hier bin ich also. Mit meinen Luxusproblemen. Und schreibe irre, langweilige, verwöhnte Texte im Internet. Zeichne. Bastele an Fotos rum. Kleb eins nebens andere.
Aber solang es jeglicher Verwertungslogik widerspricht, selbstbestimmt ist und meine Zeit & Arbeitskraft dem kapitalistischen, ausbeuterischen System entzieht, find ichs oke. Wer weiss, vielleicht halte ich ja auch noch ein paar mehr Leute vom konsumieren, produzieren, leisten, Karriereleiterklettern ab, damit wär schonmal was erreicht.

Bleib hier, es gibt viel zu entdecken in der Welt des Müßiggang!
Und dieses Privilegs bin ich mir bewusst. Zumindest etwas, dass ich aus meinem Studium der Ethnologie gelernt habe: die eigene Perspektive, den Hintergrund, die Sozialisierung offenlegen, da es eine*n beeinflusst. So, here we go: Ich erfahre wenig strukturelle Diskriminierung, nur die die Frauen* in unserer Gesellschaft zuteil wird. Ansonsten, alles, Luxusprobleme.
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